IT-Recht in der Wintersession 2023

Auch in der Wintersession 2023 stehen IT-rechtliche Themen auf der Agenda.

IT-rechtliche Themen im Nationalrat

  • Motion: Mehrwertsteuerplicht für Online-Plattformen bei elektronischen Dienstleistungen. Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt, dem Parlament eine Änderung des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer zu unterbreiten, sodass die Plattformbesteuerung auch bei elektronischen Dienstleistungen zur Anwendung kommt. Bisher ist für Plattformen, die Dienstleistungen erbringen (v.a. Download und das Streaming von Software, Apps, Filmen und Musik), bloss eine Auskunftspflicht vorgesehen. Diese Motion will dies ändern. Nicht die Dienstanbieterin soll die elektronischen Dienstleistungen versteuern, sondern die Anbieterin der Online-Plattform, über die sie erbracht werden. Der Bundesrat beantragt die Annahme der Motion.  
  • Parlamentarische Initiative: Arbeitnehmende in Start-ups mit Firmenbeteiligungen sollen von der Arbeitszeiterfassung befreit sein. Die relevanten Artikel des Arbeitsgesetzes (ArG), insbesondere Artikel 46, sollen dahingehend geändert werden, dass Arbeitnehmende bei Start-ups, welche im Besitze von „employee stock option plans“ (Esop) (Modelle für Mitarbeiterbeteiligungen) sind, die Vertrauensarbeitszeit vereinbaren können und keine Arbeitszeit erfassen müssen. Arbeitnehmer von Startups im Besitz von Esop, sollen ihre Arbeitszeit nicht zwingend erfassen  müssen (ArGV 1 Art. 9).
    Kommentar: In IT-Unternehmen führt die Arbeitszeiterfassung allgemein immer wieder zu Problemen, da gerade Entwickler oft viel Freiheit geniessen beziehungsweise einfordern und ihre Arbeitszeit frei einteilen wollen. Eine Anpassung an die gelebte Realität ist daher zu begrüssen, selbst wenn der Verzicht weiterhin nur unter eng bestimmten Regeln möglich sein würde und nur Startups davon profitieren können, geht es in die richtige Richtung.  
  • Revision des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG): Der Bundesrat will das elektronische Patientendossier (EPD) weiterentwickeln und dessen Verbreitung vorantreiben. Das erfordert eine umfassende Gesetzesrevision. Damit die Finanzierung des EPD bis zu deren Inkrafttreten sichergestellt werden kann, hat der Bundesrat eine Übergangsfinanzierung beschlossen und die entsprechende Botschaft an das Parlament überwiesen. Diese Vorlage kann voraussichtlich Ende 2024 in Kraft treten. Das elektronische Patientendossier ist ein wichtiges Instrument der Gesundheitsversorgung. Mit dem EPD besteht in der Schweiz erstmals eine einheitliche, vertrauenswürdige Plattform für den Austausch wichtiger Gesundheitsinformationen. Alle behandlungsrelevanten Informationen können an einem Ort digital abgelegt und jederzeit von Zugriffsberechtigten abgerufen werden. Mit der im Juni 2023 in die Vernehmlassung geschickten umfassenden Revision des Gesetzes sollen u.a. die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen und die Finanzierung des EPD geklärt werden. Künftig soll der Bund die Weiterentwicklung des EPD inhaltlich koordinieren und finanzieren. Die Kantone sollen den Bestand mindestens einer Stammgemeinschaft auf ihrem Hoheitsgebiet sicherstellen und die Finanzierungsverantwortung für den Betrieb dieser Stammgemeinschaften übernehmen. 
  • Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen im Immaterialgüterrecht. Fake-Produkte, die in Kleinsendungen in die Schweiz gelangen, sollen dank eines neuen Verfahrens einfacher vernichtet werden können. Der Bundesrat hat am 26. April 2023 vom Ergebnis der Vernehmlassung Kenntnis genommen und die Botschaft sowie den Entwurf des Bundesgesetzes über die Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Vernichtung von Kleinsendungen im Immaterialgüterrecht verabschiedet.  
  • Motion: Schaffung einer Verfassungsgrundlage für eine Bundesregelung des nationalen polizeilichen Datenaustausches. Mit dieser Motion wird der Bundesrat ersucht, dem Parlament eine Revision der Bundesverfassung zu unterbreiten, mit der dem Bund die Kompetenz eingeräumt wird, die Abfrage polizeilicher Daten unter den Kantonen sowie zwischen dem Bund und den Kantonen zu regeln. Im Dezember 2019 wurde eine Motion verabschiedet, die den Bundesrat beauftragte, eine nationale Polizeidatenbank oder Vernetzungsplattform (POLAP) zu schaffen. Diese Plattform soll den kantonalen Polizeidatenbanken ermöglichen, direkt polizeiliche Daten über Personen und Vorgänge in der Schweiz abzufragen und zu vernetzen. Der Bund verfügt bereits über die erforderlichen Rechtsgrundlagen, aber viele Kantone nicht. Daher wird vorgeschlagen, eine neue Bundeskompetenz in der Verfassung zu schaffen, um die Abfrage von polizeilichen Daten zwischen Kantonen und dem Bund über POLAP zu regeln und die Umsetzung der Motion sicherzustellen. 
  • Wahl des Datenschutz-Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) für die Amtsperiode 2024-2027. Die Vereinigte Bundesversammlung wird im Dezember den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten wählen. Die Gerichtskommission schlägt ihr vor, Adrian Lobsiger in seinem Amt zu bestätigen.  
  • Parlamentarische Initiative: Cybergrooming mit Minderjährigen endlich unter Strafe stellen. Diese parlamentarische Initiative zielt darauf ab, Cybergrooming unter Strafe zu stellen und als Offizialdelikt auszugestalten. Mit Cybergrooming ist das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten durch Erwachsene mit Minderjährigen im Internet gemeint. Die Rechtskommissionen von National- und Ständerat haben der Initiative im Jahr 2019 zugestimmt. Nun wird der erste Entwurf an die behandelnde Kommission zugewiesen. 

 

IT-rechtliche Themen im Ständerat: 

 

  • Motion: Erhöhung der Internet-Mindestgeschwindigkeit in der Gurndversorgung auf 80 Megabit pro Sekunde. Unter dieser Motion wird der Bundesrat ersucht, die Grundversorgung mit Breitbandinternetzugang in der Fernmeldedienstverordnung (FDV) auf ein Niveau von mindestens 80 Megabit pro Sekunde anzupassen. Seit Corona gibt es viel mehr Homeoffice und Homeschooling. Während die Internetversorgung in den Städten ausreichend war, litten viele Familien und Firmen in ländlichen Regionen und Agglomerationen unter mangelnder Internetgeschwindigkeit. Die Fernmeldedienstverordnung (FDV) sieht seit 1.1.2020 eine Grundversorgungsgeschwindigkeit von 10 Megabit pro Sekunde vor. Diese entspricht gemäss der Motion bei weitem nicht den aktuellen technischen Möglichkeiten und der Nachfrage. Darum ist die Erhöhung der flächendeckenden Mindestgeschwindigkeit auf 80 Megabit pro Sekunde mehr als berechtigt. Spätestens im Hinblick auf die Ausschreibung der nächsten Grundversorgungskonzession mit Beginn 1.1.2023 muss diese Anpassung vorgenommen werden.  
  • Motion: Forschung in Bankkundenarchiven ermöglichen. Der Bundesrat wird beauftragt, Forschung in Bankkundenarchiven zu ermöglichen. Zu diesem Zweck ist das Bankengesetz (BankG) dahingehend anzupassen, dass in Art. 47 BankG die Möglichkeit für Banken geschaffen wird, Forschenden für wissenschaftliche Zwecke Zugang zu ihren Bankkundenarchiven zu gewähren. Bis anhin verwehren Schweizer Banken unter Hinweis auf Art. 47 BankG Forschenden meist den Zugang zu ihren Archiven. Das liegt vor allem am verständlichen Bestreben der Banken, ihre eigenen Mitarbeitenden bei der Herausgabe der Kundendaten an Forschende vor einer möglichen Verletzung von Art. 47, BankG zu schützen. Mit der beabsichtigten Gesetzesänderung soll es hiesigen Banken ermöglicht werden, gegebenenfalls unter Auflagen und einer angemessenen Schutzfrist, Forschenden für wissenschaftliche Zwecke Zugang zu ihren Archiven zu gestatten.  
  • Postulat: Handhabung der weiteren Verwendung illegal erworbener Daten. Mit dem eingereichten Postulat wird der Bundesrat beauftragt, in einem Bericht aufzeigen, wie der gesetzliche Schutz sensibler persönlicher Daten vor Veröffentlichungen dieser Daten durch soziale und private Medien verbessert werden kann und gleichzeitig einem legitimen öffentlichen Interesse der Aufklärung von systematischen Gesetzesverletzungen Rechnung getragen werden kann. Dabei ist zu prüfen, ob die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten unter Strafe gestellt werden soll (ähnlich einem Verbot der Daten-Hehlerei). Kommentar: Journalisten befürchten bereits jetzt, dass dies ihre Arbeit und schlussendlich die Pressfreiheit einschränken könnte.