IT-Recht in der Sommersession 2024
In der Sommersession 2024 stehen nur wenige IT-rechtliche Themen auf der Agenda. Zusammenfassend geht es darum, bei der Digitalisierung von Verwaltungsaufgaben weiter voranzuschreiten und den Datenaustausch weiter zu standardisieren.
IT-rechtliche Themen im Nationalrat:
- Geschäft des Bundesrates: Bundesgesetz über die Krankenversicherung. Änderung (Datenaustausch, Risikoausgleich). Im Zuge der Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) soll in Art. 6b KVG ein elektronischer Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern eingeführt werden, um Aufgaben wie die Kontrolle der Versicherungspflicht zu erleichtern und Doppelversicherungen zu vermeiden. National- sowie Ständerat hiessen die Änderungen gut. Uneinigkeit zwischen Stände- und Nationalrat besteht jedoch in Bezug auf die statistische Erfassung der Nationalität der Versicherten. Nun ist für die kommende Sitzung wieder Differenzbereinigung angesagt.
- Motion: Transparenz in der Tierverkehrsdatenbank. Mit der Motion Transparenz in der Tierverkehrsdatenbank wird der Bundesrat beauftragt, im Landwirtschaftsgesetz eine Grundlage zu schaffen, damit in der Tierverkehrsdatenbank das Schlachtgewicht und die Taxation gemäss CH-TAX der Tiere mit Einzeltieridentifikation erfasst und für die zwei letzten Besitzer des betreffenden Tieres einsehbar und abrufbar sind. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
- Parlamentarische Initiative: StGB-Tatbestände mit Stalking ergänzen. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) beschloss die Ausarbeitung einer Kommissionsinitiative, um Stalking im Rahmen bestehender Tatbestände (Drohung und Nötigung des Strafgesetzbuches) explizit unter Strafe zu stellen und andererseits Lösungsansätze in Bezug auf die Rechtsdurchsetzung bei Cyberstalking zu finden. Dazu hat die RK-N einen entsprechenden Entwurf erarbeitet und den Bundesrat zu einer Stellungnahme eingeladen. Der Bundesrat erachtet diesen Entwurf als noch zu unpräzis. Es soll im Gesetz explizit festgehalten werden, dass eine Nachstellung erst dann vorliegt, wenn das Opfer auf unzumutbare Weise eingeschränkt wird. Ein Strafverfahren soll ebenfalls nicht gegen den Willen des Opfers eingeleitet werden können. Anders als im Entwurf der RK-N soll dies nach Ansicht des Bundesrats auch in Paarbeziehungen gelten.
- Motion: Es soll eine umfassende und einheitliche Rechtsgrundlage für das elektronische Verfahren im ATSG geschaffen werden. Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt, eine Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vorzulegen. Mit dieser Änderung soll für alle Sozialversicherungen eine umfassende und gesamtheitliche Rechtsgrundlage für das elektronische Verfahren (eATSG) geschaffen werden. Der Bundesrat erachtet die Lösung mit DIKOS als zielführender als eine ausschliessliche Regelung des Anliegens im ATSG, um die Digitalisierung der Kommunikation in den Sozialversicherungen der 1. Säule/Familienzulagen zu erreichen. Die Anliegen der Motion würden dabei weitgehend ebenfalls erfüllt. Daher beantragt der Bundesrat die Ablehnung dieser Motion.
- Motion: Schutz der kritischen Infrastruktur vor Einflussnahmen anderer Staaten. Mit dieser Motion wird der Bundesrat ersucht, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um die kritische Infrastruktur der Schweiz im IKT-Bereich vor Einflussnahmen anderer Staaten zu schützen. Die Umsetzung soll durch Zertifizierungs- und Informationssicherheitsvorgaben erfolgen, wobei IKT-Komponenten verboten werden können, wenn deren Anbieter von einer ausländischen Regierung kontrolliert werden. Es gibt aber Alternativen zu Verboten. Mit technischen, prozessualen oder organisatorischen Massnahmen ist es möglich, viele Risiken auf ein vertretbares Niveau zu reduzieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Risiken erkannt und richtig eingeschätzt werden. National- und Ständerat befürworten dieses Vorhaben. Mit dem Postulat 20.3984 Pult „Digitale Infrastruktur. Geopolitische Risiken minimieren“ hat das Parlament dem Bundesrat den entsprechenden Auftrag bereits erteilt. Die Schaffung gesetzlicher Grundlagen sollte erst nach Abschluss dieser Analyse diskutiert werden, daher beantragt der Bundesrat die Ablehnung der Motion.
- Motion: Für eine souveräne digitale Infrastruktur in der Schweiz im Zeitalter der künstlichen Intelligenz. Mit der Motion soll der Bundesrat beauftragt werden, eine Gesetzesrevision vorzulegen, damit der Bund in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, den Kantonen und den Forschungsinstituten den Aufbau einer souveränen digitalen Infrastruktur (einschliesslich eines Cloud-Dienstes und einer eigenständigen Austauschplattform) vorantreiben, mitfinanzieren und überwachen kann. Diese Motion zielt darauf ab, die Cybersicherheit und die digitale Souveränität der Schweiz zu stärken und gleichzeitig die neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit KI anzugehen, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Digitalisierungsbereich zu erhalten und die Schweizer Demokratie vor einer potenziellen Einmischung von aussen zu schützen. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung, da er das Anliegen der Motion bereits als teilweise erfüllt ansieht. Zum Beispiel durch die geplante Swiss Government Cloud. Ausserdem seien bereits heute ausreichende rechtliche Grundlagen vorhanden, um solche Projekte zu finanzieren.
IT-rechtliche Themen im Ständerat:
- Interpellation: Ist es nicht an der Zeit, das Verbot für regionale Radiosender, politische Werbung zu senden, aufzuheben? Im Rahmen der Modernisierung des Rundfunkgesetzes wird die Aufhebung des Verbots für politische Werbung bei privaten Radiosendern diskutiert. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen hat vorgeschlagen, das Verbot politischer Werbung aufzuheben, um die Wettbewerbsfähigkeit der Regionalradios zu stärken und ihre finanzielle Lage angesichts des zunehmenden Einflusses internationaler sozialer Netzwerke zu verbessern. Der Gesetzgeber untersagte politische Werbung im Radio und Fernsehen, um Wahlkampfausgaben zu begrenzen und die Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter zu wahren. Nach einem Urteil des EGMR wurde dieses Verbot auf den Zeitraum vor Volksabstimmungen eingeschränkt. Obwohl der Bundesrat die daraus resultierende Ungleichbehandlung zur Presse erkennt, lehnte der Nationalrat 2021 eine Aufhebung des Verbots ab, da die Abwanderung der Werbung zu sozialen Plattformen ein allgemeines Problem für alle Medien ist. Die Interpellation wird in der Sommersession behandelt.
- Geschäft des Bundesrates: Programm zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen (DigiSanté). Verpflichtungskredit. Der Bundesrat hat zur Förderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen das Programm DigiSanité verabschiedet und einen Verpflichtungskredit ans Parlament überwiesen. DigiSanté soll die Effizienz, Behandlungsqualität und Patientensicherheit durch eine vernetzte und interoperable Infrastruktur verbessern, wobei der Bund die Koordination übernimmt und gemeinsam mit den Akteuren Standards für den nahtlosen Datenfluss erarbeitet. Der Nationalrat heisst das Programm DigiSanité gut und möchte dafür ein millionenschweres Förderpaket vorsehen, welches auch von der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) angenommen wurde. Die Vorlage wird nun im Ständerat behandelt.
- Geschäft des Bundesrats: Erwerbsersatzgesetz (Digitalisierung in der Erwerbsersatzordnung). Änderung. Der Bundesrat hat beschlossen, dass Dienstleistende in der Armee, im Zivildienst, im Zivilschutz sowie bei „Jugend und Sport“ ab 2026 ihre Anmeldungen für Erwerbsersatzleistungen (EO) digital einreichen können. Die Einführung eines gesamtschweizerischen digitalen Systems und die Automatisierung des Verfahrens sollen zu erheblichen Einsparungen bei den betroffenen Arbeitgebern und den kantonalen Ausgleichskassen führen. Die dafür notwendigen Gesetzesanpassungen wurden vom Nationalrat und der SGK-SR angenommen. Das Geschäft wird nun im Ständerat behandelt.
- Interpellation: Gleich lange Spiesse bei Online-Marktplätzen. Aufgrund der zunehmenden Präsenz ausländischer Online-Marktplätze wie Shein, Temu und Wish, die Produkte zu Dumpingpreisen anbieten und oft nicht den Schweizer Produktesicherheitsstandards entsprechen, stellt sich die Frage nach Massnahmen zum Schutz der Konsumenten und der einheimischen Wirtschaft. Diese Plattformen gefährden nicht nur die Sicherheit der Konsumenten, sondern benachteiligen auch lokale Hersteller, die höhere Kosten zur Einhaltung der Sicherheitsvorgaben haben. Der Bundesrat hat erklärt, dass ausländische Anbieter, die Produkte anbieten, die für Schweizer Konsument:Innen bestimmt sind, dem Schweizer Produktesicherheitsgesetz (PrSG) unterliegen, wenn sie diese Produkte gewerblich in der Schweiz anbieten oder in Verkehr bringen. Eine Durchsetzung ist aufgrund des Territorialitätsprinzips schwierig. Die Umsetzung der im Rahmen des Postulats 17.4228 vorgeschlagenen Massnahmen erfolgt im Rahmen der Zollrechtsrevision und des DaziT-Programms.
- Interpellation: Für einen fairen Acquiring Markt für bargeldlose Zahlungsmittel. Der Acquiring Markt umfasst Dienstleistungen, die Händlern die Akzeptanz und Verarbeitung von Kartenzahlungen ermöglichen. Im Zuge der Marktuntersuchungen im Bereich bargeldloser Zahlungen wurde der Bundesrat um die Beantwortung einiger Fragen gebeten. Der Bundesrat hat keine aktuellen Informationen über die Marktanteile der in der Schweiz tätigen Acquirer, erkennt jedoch die dominierende Stellung der Worldline SA an. Die geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten grundsätzlich ausreichende Möglichkeiten, um gegen überhöhte Gebühren im Acquiring-Markt vorzugehen, wobei die Hürden für den Missbrauchstatbestand hoch sind. Es besteht keine allgemeine Offenlegungspflicht der Gebührenstrukturen, aber Händler kennen die ihnen entstehenden Kosten. Der Preisüberwacher hat bereits Preisobergrenzen für Debitkartentransaktionen mit Worldline SA vereinbart. Der Bundesrat betont zudem die Wichtigkeit von Transparenz und fairen Marktbedingungen, um insbesondere KMU vor übermässigen Gebühren zu schützen.